Unheimliche Schönheiten und das „Uncanny Valley“

Was passiert, wenn Schönheitsideale auf die digitale Welt treffen, erklärte Simon Strick in seinem interessanten Vortrag „Digitale Schönheit. Avatare, Geschlechtsideale und das Uncanny Valley“ am 14. Januar im Museum für Kommunikation Berlin. „Da unsere Schönheitsideale derzeit mehr von Photoshop und Computerbearbeitung als von natürlicher Anmut gekennzeichnet sind, stellt sich die Frage, wann wir selbst das ›Uncanny Valley‹ betreten und die Grenze zur Künstlichkeit überschreiten.“ heißt es in der Ankündigung. Simon Strick beleuchtete das unheimliche Tal zwischen Künstlichkeit und Menschlichkeit, in das unsere Vorstellungen vom Schönsein führen können – von der plastischen Chirurgie über 3D-Animationen, bis hin zu computergestützten Facelifts und digital animierten Filmstars.

Die 1933 geborene Joan Rivers.  Foto: David Shankbone, Wikipedia, CC BY-2.0
Die 1933 geborene Joan Rivers. Ein Fall für’s „Uncanny Valley“? Foto: David Shankbone, Wikipedia, CC BY-2.0
Bewegungsfähiger Android: Unheimlich oder schon vertraut? Foto: Max Braun, http://www.flickr.com/photos/maxbraun/, CC BY-SA 2.0, http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.de
Ein sich bewegender Android: Unheimlich oder schon vertraut? Foto: Max Braun, Flickr, CC BY SA 2.0, creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.de

Es gibt ein Phänomen, das in der Computerspieleindustrie schon länger diskutiert wird: das „Uncanny Valley“ – Tal des Unheimlichen. Der Begriff geht zurück auf den japanischen Robotik-Fachman Masahiro Mori, der in den 1970er Jahren menschliche Reaktionen auf nicht-menschliche Figuren untersuchte. Er hatte dazu einige Roboter konstruiert, von sachlich-nüchtern bis zu nahezu perfekt menschlich aussehenden Maschinen. Dabei war er auf einen paradox erscheinenden Effekt gestoßen: Es zeigte sich, dass die Testpersonen Roboter um so anziehender fanden je mehr sie mit menschenähnlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen ausgestattet waren – aber nur bis zu einem gewissen Grad. Denn sobald sie eine bestimmte Ähnlichkeitsschwelle überschritten, wandelte sich die positive Reaktion in Ablehnung. Besonders stark wirkt dieser Effekt bei bewegten Objekten, wenn die Erwartungshaltung an gewohnte menschliche Bewegungsabläufe nicht erfüllt wird.

Die Parameter für die menschliche Akzeptanz bzw. Ablehnung visualisierte Mori in einer Kurve, die sich demnach mit der Steigerung der Menschenähnlichkeit einer Figur nicht stetig linear entwickelt, sondern ab einem bestimmten Grad einen starken Einbruch verzeichnet – den er als das „Uncanny Valley“ bezeichnete. Die Akzeptanz steigt erst ab einem gewissen, sehr hohen Grad der Menschenähnlichkeit wieder an.

Das "Uncanny Valley" nach Masahiro Mori. Bild: Wikimedia
Das „Uncanny Valley“ nach Masahiro Mori. Bild: Wikipedia

Das erklärt, warum wir uns emotional eher von Staubsaugerrobotern, R2-D2 aus „Star Wars“ oder animierten Phantasiefiguren angezogen fühlen als von einem Androiden im perfekten Menschenlook, der aber trotzdem noch irgendwie künstlich wirkt. Nicht ganz perfekte Menschenkopien, seien sie auch noch so „schön“, sind uns sogar eher unheimlich.

3D-Computerdesigner umgehen das „Uncanny Valley“, indem sie zum Beispiel nicht-menschliche, stilisierte Charaktere mit menschlicher Psychologie erschaffen und so fotorealistische Menschendarstellungen vermeiden. Gelungene Beispiele dafür sind etwa Gollum aus dem Film „Herr der Ringe“ oder die blaue Neytiri in „Avatar“.

Der Begriff des “unheimlichen Tals” geht zurück auf Ernst Jentsch (1906) und Sigmund Freud (1919), die den Begriff “unheimlich” analysierten. Für beide bedeutet „unheimlich“ das Gegenteil von „heimlich“, im Sinne von heimisch und vertraut. Nach Jentsch entsteht das Unheimliche durch den Zweifel an der Beseelung eines offenbar lebendigen Wesens, was zum Beispiel den Gruseleffekt von Zombies oder Vampiren untermauert.

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Das „Uncanny Valley“ im Vortrag von Forscher MacDorman auf Youtube

Masahiro Moris These hat innerhalb der letzten Jahre Neuerungen erfahren und wurde unter anderem auf lebende Menschen angewendet, die ihren Körper und ihr Aussehen durch plastische Chirurgie selbst verändert haben. Der amerikanische Mensch-Maschine-Interaktionsforscher MacDorman beschreibt zum Beispiel den jungen Michael Jackson als Idealbild des vertrauten und gesunden Menschengesichtes, während er den durch unzählige kosmetische Operationen veränderten erwachsenen Jackson als Beispiel für jene Körper nennt, die im Tal des Unheimlichen zu verorten sind.

In Zeiten von Facelifts und plastischer Chirurgie kann es also durchaus passieren, das echte Menschen durch missglückte oder übertriebene Schönheitsoperationen selbst zu potenziell unheimlichen Wesen werden.

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