Madonna, das Alter und die Presse

Madonna polarisiert. Man trifft kaum jemanden ohne Meinung zu ihrem Look & Lifestyle. Neuerdings auch zu ihrem Älterwerden. Ist es peinlich, sich mit Anfang 50 immer noch als Girl zu bezeichnen? Ist es selbst für eine Profi-Tabubrecherin wie Madonna unmöglich neue, revolutionäre Altersbilder zu erfinden? Macht sie, was sie will oder hat sie Angst vorm Älterwerden?

Sie hat kürzlich ein neues Album veröffentlicht, „MDNA“. Zeitgleich wurden eine Reihe von Artikeln veröffentlicht. Hier ein paar Auszüge:

„Zum ersten Mal scheint die Frau, die über drei Jahrzehnte Tabus auslotete und brach, sich einem Schönheits- beziehungsweise Marktideal unterzuordnen. Schade“, schreibt Jakob Biazza, Jahrgang 1981, im Focus. Biazza spekuliert, welche Kraft das Album entwickelt hätte, wenn Madonna als Neuerfindung einfach ihr wahres Alter benutzt hätte. „Lederhaut statt Lack und Leder. Ein brutaler Schritt. Schockierend. Madonnaesk nahezu. Aber eben auch sehr riskant.“

Im Spiegel-Artikel „Ewiges Girl“ fragt Tobias Rapp, wo Madonna denn sei, wenn sie als Role Model wirklich gebraucht werde. Madonna, der es nicht gelinge glaubwürdig zu altern. Obwohl keine Geschlechterrolle so vernachlässigt werde „wie die der Frau zwischen 50 und 60, auf dem Weg zwischen Mutter und Oma.“ Fast alles sei ihr gelungen als Role Model für die postfeministische Generation. Madonna, deren Größe darin bestehe immer wieder neue Rollen gesucht und sich neu erfunden zu haben.
 Aber sie könne kein entspanntes Verhältnis zum Altern entwickeln. Autor Rapp, 1971 geboren, gibt ganz nebenbei auch Einblicke in seine persönliche Altersphobie: „Älter werden ist Faltencreme, Zeit im Badezimmer, die immer länger wird, Kinder, die aus dem Haus gehen.“

Carmen Böker analysiert das Seniorinnen-Drama in der Frankfurter Rundschau. „Vom vergeblichen Kampf gegen das Älterwerden“ heißt es da gleich in der Überschrift. Es sei nichts dagegen einzuwenden, diesseits der 50 noch Teil der Ausgehgesellschaft sein zu wollen. Nur verspanne sich keine wie Madonna so sehr bei dem Versuch, Schritt zu halten mit jeder neuen Generation, die das Clubleben als Teil des Erwachsenwerdens für sich beansprucht. Es gebe aber einige Frauen im Alter von Madonna, bei denen man über die verflogenen Jahre und ihre Spuren kaum einmal nachdenke wie etwa die Schauspielerinnen Julianne Moore, Tilda Swinton, Kristin Scott Thomas und Michelle Pfeiffer. Jüngere Männer oder Leopardenhöschen-Fotoshootings würden bei diesen Damen eher freundlich begutachtet und es werde nicht wie bei Madonna darüber gestritten, ob das fortgeschrittener Jugendwahn sei. Die allerdings sehne sich „insgeheim immer noch sehr nach dem knappen Spandex-Höschen und sonst gar nichts.“

Der Hauptvorwurf der Journalisten, Spandex-Höschen hin oder her, ist Madonnas Weigerung oder ihr Versagen, ein Role Model fürs Älterwerden zu sein: Kann sie nicht, will sie nicht oder rechnet es sich einfach nicht?

Madonna ist eine kluge Geschäftsfrau. Ihre Tabubrüche waren stets kalkuliert. Sie spielten mit religiösen und sexuellen Verboten und sollten sich weltweit rechnen. Würde es sich lohnen, das Tabu Alter zum Thema zu machen?Hat Madonna tatsächlich ein Problem mit dem Altern oder spiegeln die Texte vielmehr die Altersängste der Autoren? Oder ist Madonna gerade dabei, wieder ein Tabu zu brechen, indem sie sich über die Vorstellungen altersgerechten Verhaltens hinwegsetzt. Und das tut, was sie will – sich jugendliche Liebhaber nimmt, die Bässe einfach aufdreht und die Party konsequent weiterfeiert?

Artikel:
Biazza, Jakob: Madonna – „MDNA“: Wer andre eine Schlampe nennt. In: FOCUS, 23.3.2012.
Böker, Carmen: Vom vergeblichen Kampf gegen das Älterwerden. In: Frankfurter Rundschau, 23.3.2012
Rapp, Tobias: Ewiges Girl. In: DER SPIEGEL, 12 /2012.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Allgemein, Alter, Gesellschaft, Madonna, Reviews, Schönheit und getaggt als , , , . Fügen Sie den permalink zu Ihren Favoriten hinzu.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.