Inside Barbiehaus Berlin

Bald sieht Berlin nur noch rosa: Am 16. Mai wird das lebensgroße Barbie Dreamhouse eröffnet. In der begehbaren Wanderausstellung wird sich alles um die berühmteste Puppe der Welt drehen, die längst zum Kulturphänomen avanciert ist.

Allerdings ist unsere Vorfreude wegen der angekündigten Highlights doch ein bisschen gedämpft: Wollen wir tatsächlich digitale Cupcakes in Barbies Hightech-Küche kreieren oder die hippen Outfits im begehbaren Kleiderschrank der Stilikone nur digital anprobieren?

Höchste Zeit, unser Wunschprogramm vorzustellen: Durch die Ausstellung möchten wir am liebsten von der „living Barbie“ Valeria Lukyanova geführt werden, damit wir auf Augenhöhe mit unserem Idol kommunizieren können. Alternativ wäre auch ein junger Mann mit Ken-Syndrom (siehe Barbie-Syndrom) denkbar – man darf in einer echt amerikanischen Fantasyworld ja wohl mal träumen dürfen.

Foto: Facebook/ Valeria Lukyanova

Nachdem wir den begehbaren Kleiderschrank nach brauchbaren Klamotten durchforstet haben (z. B. das Designer Outfit von Chanel) und – wenn’s sein muss – in der Cupcake-Küche gemeinsam ein bisschen gebacken haben, steht uns der Sinn nach intellektueller Anregung. Wir treffen die Nerd-Barbie in ihrem Hightech-Office und chatten mit Fulla im mittleren Osten über Feminismus und Emanzipation. Das Barbie-Modell „Miss Astronaut“ ist aus dem All zugeschaltet und die DDR-Steffi bringt mit sozialistischem Chic und Charme eine weitere Perspektive zur Frauenfrage ein. Angeregt von der ausgiebigen Diskussion und auch schon wieder ein bisschen hungrig nach Cupcakes tauschen wir nun mit der nächstbesten 08/15-Barbie ein kleines Frauengeheimnis aus, das uns schon länger beschäftigt: Wie schafft sie es, im Alter von nunmehr fast 54 Jahren immer noch völlig knitterfrei, also höchstens wie 25, auszusehen? Das dürfte nun auch Valeria Lukyanova interessieren, falls sie inzwischen noch nicht weggerannt ist.

Aging Barbie. Bild: designboom
Aging Barbie. Bild: designboom

Sollten Barbies Beautytricks für uns nicht funktionieren, rächen wir uns an ihr mit der digital gealterten „Aging Barbie“.
Am Ende des Rundgangs machen wir noch einen Abstecher ins Kellerarchiv des Barbiehauses und informieren uns umfassend über die Aktion der Barbie Liberation Organization , die 1993 in einem spektakulären Sabotageakt die Sprachmodule von 300-500 Modellen der Superblondine mit denen von GI Joe –Puppen vertauscht hat. „Die Rache ist mein“ zu verkünden war also leider nur wenigen Barbies vergönnt. Nach der  Überdosis an Plüsch und Pomp im oberen Stockwerk wünschen nun auch wir uns Freiheit für alle Barbies und suchen schnell nach dem Ausgang.

Glossar

Barbie-Syndrom

Diese psychische Verhaltensauffälligkeit bezeichnet das Bedürfnis betroffener Frauen, sich durch plastische Chirurgie und eine ausgefeilte Schminktechnik zu einem puppenhaften Aussehen zu verhelfen. Das derzeit berühmteste Beispiel ist die Ukrainerin Valeria Lukyanova. Sie ist im Internet als „living Barbie“ berühmt geworden und präsentiert dort ihre beunruhigende Verwandlung vom zarten Mädchen zur Puppe. Ihr männliches Pendant ist der New Yorker Justin Jedlica, der sich durch bislang ca. 90 OPs immer mehr dem äußeren Erscheinungsbild der Ken-Puppe annähert.

Chanel-Kollektion für Barbie.
Chanel-Kollektion für Barbie. Bild: colette.fr

Designer Outfits

Nach dem Vorbild der Anziehpuppe war Barbie als Spielpuppe konzipiert worden. Da sich ihre Kleidung immer an der aktuellen Mode orientierte, entwickelte sich bald ein Markt für erwachsene Sammler, die hohe Preise für Vintagemodelle zahlen. Auf dieser Grundlage entwarfen bereits Modehäuser wie Chanel, Dior, Givenchy, Armani, Prada, Versace, Vera Wang und Burberry Haute Couture exklusiv für Barbie. Auch hochpreisige Louboutins mit roter Lacksohle und Luis-Vuitton-Koffer und -Taschen sind für Barbie kreiert worden.

Miss Astronaut und Nerd-Barbie

Obwohl Barbie als Inbegriff des nichtstuenden Luxusgirls erscheinen mag, ist sie seit dem Beginn ihrer Weltkarriere im Jahr 1959 bereits mehr als 100 Berufen nachgegangen. Überwiegend war sie zwar in typisch weiblichen

Miss Astronaut, 1965; Nerd-Barbie, 2010.
Bilder: Mattel

Berufsfeldern tätig, etwa als Stewardess, Kunstlehrerin, Sekretärin, Model oder Schauspielerin, zeigte aber schon früh höhere Ambitionen. Den Gipfel ihrer Karriere in einer Männerdomäne erreichte sie 1965 – immerhin vier Jahre bevor Neil Armstrong den ersten Schritt auf den Mond setzte – als „Miss Astronaut“ im maßgeschneiderten Space-Outfit. Dieses Vintagemodell erlebte 2010 eine Wiederauflage. Im selben Jahr ließ der Barbie-Mutterkonzern Mattel im Netz über neue mögliche Karrieren der berühmten Blondine abstimmen. Das Ergebnis – durch massive Unterstützung der IT-Branche – war der Beruf der Computerspezialistin: die „Nerd-Barbie“ mit modischer Brille und Laptop war geboren.

Die arabische Fulla

Fulla Doll
Fulla Doll. Bild: NewBoy

Im Kulturkampf gegen westliche Dekadenz hat die Polizei in streng muslimischen Ländern wie dem Iran die blonde Barbiepuppe immer wieder aus den Regalen räumen und Läden schließen lassen. So war es nur eine Frage der Zeit, bis im November 2003 eine verhüllte muslimische Puppe den arabischen Markt eroberte: die Fulla, produziert von der syrischen Firma NewBoy. Sie ist flachbrüstiger als Barbie und kommt mit rosa Gebetsteppich und arabischen Hijab. Darunter trägt sie modische Hauskleidung, die die Oberarme und Beine bedeckt. Die Fulla gibt es auch in den Rollen der Lehrerin oder Ärztin, den beiden im arabischen Raum als besonders respektabel geltenden weiblichen Berufen.

Auch die Mattel-Barbie ist in 45 Nationalitäten erhältlich und hat das arabische Modell Razanne für in den USA und im westlichen Ausland lebende Muslime auf den Markt gebracht. Aber keine dieser und vergleichbarer Puppen wurde ein Bestseller wie die Fulla. Der Grund für ihren Erfolg wird in der massiven, speziell auf den arabischen Markt zugeschnittenen Werbung gesehen. Mit ihren unzähligen, schicken Accessoires, die auch in der Größe der stolzen Besitzerinnen  erhältlich sind – wie z. B. das Kopftuch und der rosa Gebetsteppich -,  sowie den zugeschriebenen häuslich-fürsorglichen Eigenschaften ist Fulla das konservative weibliche Rollenmodell für muslimische Mädchen im gesamten arabischen Raum.

DDR-Steffi

DDR-Barbie Steffi. Bild: Basicjoe/Flickr
DDR-Barbie Steffi. Bild: Basicjoe/Flickr

Die Steffi ist heute ein begehrtes Sammlerobjekt. Diese „charmante Mannequin-Puppe“, so seinerzeit das DDR-Fachblatt „Spielzeug“, wurde 1966 als sozialistische Antwort auf die amerikanische Barbie erschaffen.
Steffi entstammte der VEB-Puppenfabrik Waltershausen, hatte voluminöse Fönfrisuren, erschien in verschiedenen ethnischen Modellen und verfügte über erstaunlich vielfältige, schicke und überwiegend alltagstaugliche Kleidung. Sie trat auch als Stewardess in Interfluguniform auf. Die Steffimodelle wirken reifer und damenhafter als die Barbies und wurden auch nicht vorrangig für Mädchen in der DDR produziert. Nach Aussage einer Sammlerin und ehemaligen DDR-Bürgerin wurde die Modepuppe Steffi gerne als Geschenk an Staatsgäste vergeben. Mädchen in der DDR kamen durch Pakete aus dem Westen eher in den Besitz einer Barbie oder des westdeutschen Konkurrenzproduktes „Petra“. (Artikel über die Sammlerin.)

Barbie Liberation Organization (BLO)

Wie wir wissen, hat Barbie alles, was die Luxuswelt hergibt und kann sich auch beruflich jeden Traum erfüllen. Als Emanzipationsmodell ist sie aber nicht nur durch ihre unrealistischen Körpermaße schon immer völlig untauglich gewesen. Besonders in ihrer Version als Sprechpuppe sonderte sie jede Menge stereotypen Stuss ab („Mathe ist so schwierig, lass uns einkaufen gehen.“). Das rief 1993 die BLO auf den Plan, eine Aktion der Culture-Jamming-Bewegung in den USA, die die westliche Konsumkultur unterwandert und bloßstellt. Die BLO-Aktivisten haben sich in späteren Aktionen als „Yes Men“ einen Namen gemacht. Ihre Entlarvung von Geschlechterstereotypen durch den Austausch von Sprachmodulen bei Barbie- und G.I. Joe-Sprechpuppen sorgte für einige Verwirrung in den Kinderzimmern. (cb)

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One Response to Inside Barbiehaus Berlin

  1. aDie Steffi-Puppe aus Walthershausen in der DDR habe zufällig kennengelernt. Den Anlaß gaben mir zwei Lehrerunnen, die ich beim Abschluß der zehnten Klasse und beim Abiturlehrgang in Latein an der Volkshochschule kennenlernte.Sie waren nicht nur sehr nett und lieb, ihre Schönheit erstrahlte wie die der japanischen Sonnengöttin Amaterasu im Himmel und auf Erden. Daher kaufte ich mir auch mit der Zeit Steffi-Puppen, deren Anzahl auf 14 anwuchs.

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