antiagingnews.net ist die nach eigenen Angaben größte deutschsprachige Internet-Plattform für Anti-Aging Medizin und Prävention. Unter anderem werden dort Online-Tests angeboten, die das persönliche allgemeine Gesundheitsrisiko analysieren. Marisa Schulz, 23 Jahre alt, startete einen Selbstversuch:

„Ihr Testergebnis in Punkten auf einer Skala von 0 – 29 Punkten: 17 Punkte: Mittleres bis höheres Risiko
4 bis 29 Punkte. Sie sollten unbedingt weitergehende Untersuchungen zur Präzisierung Ihres Risikos vornehmen lassen und eine entsprechende Behandlung zur Risiko-Minderung beginnen.“ Und das wissen sie, nach acht lächerlichen Fragen, die allgemeiner nicht sein könnten.
Ich bin erst 23 Jahre, wenn ich den Test noch mal mit Mitte Dreißig mache wird er mir sagen, ich stünde kurz vor dem Tod. Mit Mitte Vierzig sagen sie mir: „Schauen Sie nach oben, so sehen die Radieschen von unten aus.“ Ich führe ein meinem Alter angemessenes Leben: ich genieße meine Jugend, so gut es neben der ständigen medialen Panikmache eben geht. Ich verdränge, dass ich keine Rente bekommen werde und dass das Gesundheitswesen in 40 Jahren nicht mehr alle meine Sünden auffangen wird. Aber come on, ich lebe in Berlin, einer Stadt, die inzwischen für ihre Parties weltberühmt ist. Die Berühmtheit mag ich nicht, die Parties schon. Ich muss ja wenigstens ab und zu schauen, ob der Ruf berechtigt ist. Und dann trinke und rausche ich. Das macht man so auf Parties. Ich weiß, es ist nicht gut. Trotzdem… In 20 Jahren wird mir dann ein pedantischer Beamter erklären “Sie haben mit Mitte Zwanzig zu viel geraucht und getrunken, für diese Dummheit kann der Staat doch nichts, das müssen sie selber zahlen.“ Ich möchte zu meiner Verteidigung vorbringen, dass ich mir nicht vorstellen kann, mit Mitte Vierzig noch mit einem billigen Wegbier von Party zu Party zu hüpfen und bei jeder Gelegenheit die richtige Zigarette zu rauchen: die Wartezigarette, die Verlegenheitszigarette, die Glückszigarette, die Wutzigarette, irgendwann wird es sie in meinem Leben nicht mehr geben, aber momentan tun sie gut. Was wäre eine Jugend ohne Rausch? Aber das hat mir dicke Minuspunkte auf der Gesundheitsskala gebracht. Dass mein Papa einen kleinen, bis dato ungefährlichen Krebs in sich trägt, soll auch zu meinem künftigen Unglück beitragen. Bei der nächsten Frage habe ich gezögert, kurz habe ich überlegt, ob ich „Orientierungslosigkeit“ ankreuzen soll, in Berlin, meiner Heimatstadt, verlaufe ich mich oft. Ich fühle mich hier so sicher, dass ich achtlos werde. Ich kenne die Namen der Straßen nicht, weil ich hier groß geworden bin. Aber ich bin nicht dement, ich finde mich nicht an Orten wieder und weiß nicht, wie ich dorthin gekommen bin. Warum sind diese Fragen so unkonkret?
Und woher soll ich wissen, wie hoch mein Blutdruck ist? Ich gehe so selten zum Arzt, dass ich es einfach nicht weiß. Und das sollte doch ein gutes Zeichen sein, oder? Wenn man so wenig Beschwerden hat, dass man nicht zum Arzt geht.
Eine bessere Frage wäre: Sind sie glücklich? Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Glück gesund ist, aber Glück kann man nicht kaufen, schon gar nicht verkaufen, von daher lässt sich damit kein Geld machen und mich beschleicht das Gefühl, dass das der Sinn hinter diesem Anti-Aging-Test ist.
Marisa Schulz