Girlie Games – Computerspiele für Mädchen

Spieletest: Mütter und Töchter im Selbstversuch

Von Claudia Bialasiewicz

Wir sind drei Frauen in den Vierzigern. Unsere Kindheit haben wir im Westen der 60er und 70er Jahre verbracht. Wir spielten mit Barbies oder der Billig-Variante Petra, aber auch mit Lego. Am liebsten trugen wir Jeans und T-Shirt. Shoppen hieß damals „Anziehsachen einkaufen“ und war eine langweilige Angelegenheit, die wir gerne den Erwachsenen überließen. Dass wir in den entsprechenden folkloristischen Kleidchen mit Kniestrümpfen bescheuert aussahen, ahnten wir irgendwie, aber alle Mädchen in unserem Alter liefen so rum. Wir spielten viel draußen, sahen aber auch gerne im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Kinderfilme und familientaugliche Serien, die von einer stattlichen Anzahl dressierter Tiere bevölkert waren. Das Rollenmodell für Mädchen hieß Pippi Langstrumpf. Unser bescheidenes Taschengeld legten wir in Süßigkeiten und Sammelbildern an. Im Alter von 8 bis 12 waren wir Kinder und keine wie auch immer bezeichnete „Zielgruppe“. Sicher gab es Werbung, die sich auch an uns richtete, doch sie drang nicht in jeden Winkel unseres Lebens.

Und es geht doch: Gemeinsam Spaß haben bei Anzieh-Spielen am PC. Foto: Ricardo C. Moreno

Unsere Töchter sind zwischen 6 und 11 Jahre alt und schon äußerst modebewusst. Sie überlegen sich jeden Morgen sehr genau, was sie anziehen, und die Auswahl ist groß. Die Älteren gehen bereits alleine Shoppen. Sie gehören zur marketingrelevanten Zielgruppe der „Tweens“ („Too old for toys, too young for boys”). Die Mädchen kennen das alterstypische Spektrum an Schönheitsidealen von der Disney-Prinzessin und der Barbiepuppe bis zu Hannah Montana, Selena Gomez und den Twilight-Stars. Die Marketingstrategien für Tweens sind so ausgerichtet, dass sich unsere Großen in ihrem Kaufverhalten altersmäßig nach oben orientieren und in der Kleidung, die sie mit ihrem Taschengeld kaufen, älter aussehen als es den Tatsachen entspricht. Die Medien nehmen einen beträchtlichen Raum ein im Leben unserer Töchter. Aber nicht nur „Mädchenthemen“ aus Film und Fernsehen, auch Computerspiele sind für sie nicht uninteressant. Selbst die Jüngsten kennen sich zum Teil schon mit einfachen Computerspielen aus und die Älteren spielen seit längerem die Mädchenspiele im Internet.

Wir Mütter sind diesbezüglich diffusen Ängsten ausgesetzt, die auch von Seiten der Schule an uns herangetragen werden. Der Forderung nach völligem Computerverbot widersetzen sich  zumindest zwei von uns. Schließlich wünschen wir uns Medienkompetenz für unsere Töchter. Andererseits entzieht sich uns mit dem Älterwerden der Mädchen zunehmend die Kontrolle über die Inhalte, mit denen sie sich im Internet auseinandersetzen. In dieser Hinsicht erwarten wir nichts Gutes: Nach dem Bericht der „SpilGames“-Gruppe für freie Spiele im Internet wird das Spieleverhalten der Tween-Girls bis ins Detail analysiert. Diese Mädchen, die noch extrem jung und beeinflussbar sind, verfügen allein in den USA über eine Kaufkraft von 260 Mrd. Dollar. Daran knüpft sich für SpilGames der Appell an die Werbetreibenden, auf den Spieleseiten ein empfängliches und lukratives Publikum für sich zu gewinnen.

Wir fragen uns: Welchen Bildern und welchen Themen sind unsere Mädchen in den Onlinespielen ausgesetzt und welche Ideale von Weiblichkeit werden hier vermittelt? Sind vor allem die älteren schon kritisch und selbstbewusst genug, sich diesen Einflüssen zu entziehen?  Da man nur ablehnen kann, was man auch kennt, entschließen wir uns zu einem Spielenachmittag. Wir wollen unsere Töchter bei den alterstypischen Gratisspielen im Internet begleiten und zu ihrem Spielverhalten befragen.

Mütter und Mädchen testen. Foto: Ricardo C. Moreno

Das Experiment

Auf dem Tisch stehen neben frischem Obst und Getränken vier Laptops. In die Mitte hat jemand eine Barbiepuppe gesetzt. Sie thront über allem und ist sozusagen das verbindende Element zwischen den Generationen. Nachdem wir die Spiele unseren Töchtern und ihren Freundinnen, sechs Mädchen im Alter von 6 bis 11, altersgerecht zugeteilt haben, tritt eine Ruhe ein, die uns kurz die Vision eines idealen Kindergeburtstags heraufbeschwören lässt: alle sind beschäftigt, glücklich und zufrieden! Schöne neue Welt…

Am Ende der Runde von ca. 30 Minuten freut sich die kleine Mia: „Ich hab eine Prinzessin gemacht. Ich fante das Spiel schön, die Kleider waren schön!“ und die Ältesten, Celina und Neela, zeigen kichernd eine Punkgöre vor, die sie kreiert haben. Durchaus kreativ, sollte man meinen.

Wie zufrieden sind die Mädchen wirklich und was nehmen wir aus unseren Beobachtungen mit?

Die Spielerinnen*:

Mia (6) und Leila (8), spielen gelegentlich altersgemäße Spiele am PC,  Natalie (7), keine PC-Spielerfahrung, Johanna (10), kaum Spielerfahrung, Celina (10), spielt regelmäßig bei Freunden und Neela (11), spielt regelmäßig allein und mit Freundinnen.

Moderation:
Miriam, Studentin (24)

Spiele:
„GoSupermodel“ und „Stardoll“ für die drei älteren Mädchen, außerdem über „girlsgogames“ ein Spiel, in dem Kosmetikprodukte angewendet werden („Scrub and Peel Makeover“). Für die Kleineren über „Spieleaffe.de“ ein Spiel, in dem Prinzessinnen angezogen und ein weiteres, in dem Meerjungfrauen frisiert werden.

Spiel „Scrub and Peel Makeover“ legt man sich eine Maske auf. Foto: GirlsGoGames
Spiel „GoSupermodel“: Avatar neu einkleiden und dadurch Punkte auf der Berühmtheits-Skala sammeln.

 

 

 

 

 

 

 

Wie hat’s euch gefallen?

Johanna: Naja, die Spiele waren alle langweilig, die interessieren mich nicht richtig. Als erstes hab ich „Stardoll“ gespielt. Das mochte ich nicht, die Figuren hab ich nicht schön gefunden.

Leila: Ich hab Prinzessinnen anziehen gespielt und Frisuren machen. Ich fand sie schön, auf jeden Fall haben sie mir gefallen. Das Spiel mit den Meerjungfrauen hat mir nicht so gefallen, weil die so Riesenaugen hatte. Deswegen habe ich die ganz hässlich gemacht.

Mia: Ich hätte gerne noch länger das erste Spiel mit der Prinzessin gespielt. Ich wollte ihr Haare wie Rapunzel machen, da hab ich lange Haare gemacht.

Celina: Wenn man’s eine Weile spielt, dann wird es langweilig.

Man kann nicht mehr machen als umstylen, shoppen oder auf eine Party gehen.

Neela: Ich finde doof, dass die immer so steif dastehen. Ohne Ausdruck.

Wie alt waren die Figuren?

Neela: Bei Stardoll sahen die aus wie 17-18.

Wie fandet ihr denn das Spiel, wo man die Pickel wegmachen konnte?

Johanna: Das mit der Gesichtsmaske war ein bisschen langweilig. Wenn man das falsche geklickt hat, dann ist einfach nichts gekommen. Wenn man auf das geklickt hat, was die wollten in dem Spiel, dann ist ein Schwamm gekommen. Der hat alles gemacht, das musste man bloß anklicken.

Neela: Bei dem Pickel-Spiel hat das auf mich so gewirkt, dass man alle die Produkte nehmen muss, damit man am Ende superschön aussieht wie diese Puppe. Es muss immer alles schön sein. Bei einem anderen Spiel, da haben wir versucht, uns richtig schön zu machen. Dann sagen die:„ Super, du bekommst ein neues Kleid für deinen tollen Look!“

Gab es auch dickere Spielfiguren?

Celina: Bei Stardoll, da konnte man die dick machen.

Neela: Nein, nur die Schultern konnte man stärker machen.

Welche Haarfarbe soll die Prinzessin kriegen? Foto: Ricardo C. Moreno
Leila testet Stardoll. Foto: Ricardo C. Moreno

Habt ihr auch mal drauf geachtet, was drum herum war bei den Spielen, also die Werbung?

Celina: Wenn man ein Spiel anklickt, dann kommt erstmal die ganze Werbung und dann muss man warten, bis die Werbung vorbei ist. Das finde ich doof.

Eine Frage an die Kleineren: Findet ihr, die Prinzessinnen sollten mehr wie normale Kinder aussehen?

Leila: Ich finde es okay , dass die nicht so aussehen, wie die Kinder, die ich kenne.

Mia: Die Prinzessinnen sehen anders aus. Das sieht dann gleich schön aus wie meine Freundinnen. Die Prinzessinnen sind nett.

Frage an die Großen: Würdet ihr die Kleider in diesen Spielen selber aussuchen, wen ihr shoppen geht?

Neela: Die meisten Models in den Spielen haben zu kurze Röcke, zu kurze Hosen und schräge T-Shirt-Schnitte, knapp überm Bauch.

Celina: Das meiste würden wir nicht kaufen.

Johanna: Die Sachen sind zu eng am Körper, nicht schön, sehr kurz, einfarbig, gar nicht richtig bunt.

Neela: Doch, das kann man mischen.

Celina: Bei „Stardoll“ braucht man Geld, wenn man was Besonderes kaufen will. Spielgeld. Und wenn man Superstar werden will, muss man richtig bezahlen, dann bekommt man Extra-Sachen.

(Die Mütter sind erstaunt, das wussten sie nicht.)

Eine Frage an die Jüngeren: Was macht denn mehr Spaß, die Puppen im Computer anzuziehen oder mit Barbies zu spielen?

Mia und Natalie: Mit Barbies spielen.

Leila: Bei den Barbies kann man einfach anfangen. Man kann die Frisur machen, die man haben will. Im Computer kann man nur machen, was da ist.

Habt ihr zusammen gespielt am Computer?

Die Kleinen: Ja, zusammen. So wie mit Barbie.

Celina: Wenn man mit Barbies spielt, dann kann sich jeder eine Puppe aussuchen und dann kann man miteinander richtig spielen. Am Computer kann man nicht miteinander spielen.

Neela: Und am Computer streitet man sich –  „nein diese Schuhe , nicht die, die andern sind besser, die roten!“.

Johanna: Am Computer spielen ist besser, wenn man alleine ist.

Neela: Computer mache ich, wenn mir langweilig ist. Wenn ich mich austoben will, gehe ich lieber raus. Es ist entspannend, am Computer zu spielen oder was zu schreiben, sich Geschichten auszudenken.

Welches Computerspiel würdet ihr sonst noch gerne spielen oder entwickeln?

Celina: Bei einem Anziehspiel würde ich das mit richtigen Läden machen, wo man erstmal durch eine Stadt bummelt und dann reingehen kann, ausprobieren und shoppen. Mit Spielgeld und Kleiderständern, keine teuren Sachen.

Johanna: Ich würde etwas wollen, wo man Haustiere haben kann.

Leila: Für mich wäre das etwas mit Pferden.

Mia: Ich hätte gern ein Spiel mit Hunden


Gesprächsrunde*

Die Mütter:
Maike (42), Katharina (44) und Annette (48),

Die beiden ältesten Mädchen:
Celina und Neela

Moderation:
Miriam.

Was denkt ihr jetzt über die Spiele und die Reaktionen?

Maike: Ich habe nur das Prinzessinnen-Spiel und das Meerjungfrauen-Spiel gesehen. Es gibt da keine wirkliche Challenge. Man zieht die Figuren an und aus. Das Aha-Erlebnis, dass es toll aussieht, wenn man Farben und Kleider mit einem Klick wechseln kann, ist schnell ermattet.

Annette: Schon für die kleinen Mädchen werden bei den Spielen alle Interessen bedient. Außer für Prinzessinnen interessieren sich die Mädchen auch für Pferde und Hunde. Und auch solche Spiele finden sich für die Altersgruppe im Internet.

Maike: Sie wollten meistens etwas anderes, mehr Variationen, mehr Individualität.

Annette: Das Prinzessinnenspiel ist vorbereitend für die Spiele, die die Großen gespielt haben. Da geht es dann nur noch um Shoppen und Konsum.

Maike: Bei den Prinzessinnen hast du aber noch nicht den Shopping-Vorgang. Da ziehst du noch wie bei Barbie deine Figuren an und aus.

Aber ist es nicht doch so wie mit Barbiepuppen spielen?

Annette: Nein, ein Unterschied ist, dass du da alles kriegen kannst, jedes nur denkbare Accessoire. Nicht wie bei Barbie die paar Klamotten, die die Mädchen geschenkt bekommen. Diese Verfügbarkeit von allem, was es nur gibt, passt so richtig in die Konsum- und Wegwerfgesellschaft. Alles ist möglich, alles kannst du kriegen – mit einem Klick.

Katharina, du kanntest ja bisher solche Spiele nicht. Was sagst du jetzt dazu?

Katharina: Quatsch. Absoluter Humbug.

Annette: Aber ich finde manches daran auch gefährlich. Da kommen so Werbesprüche bei Stardoll wie „Spiele mit deinem Look“. Was ist das für eine Sprache? Das sind hier 8 bis 11-Jährige, die das spielen. Was heißt das: „Spiele mit deinem Look“? Nimm dies, nimm das, probier aus, schmeiß weg…

Was hat das für einen Einfluss auf die Mädchen?

Annette: Die sollen fit gemacht werden fürs richtige Shoppen und lernen sich aufzubrezeln, damit sie begehrenswert erscheinen. Mich stört auch die viele Werbung in diesen Spielen. Neela ist zwischendurch immer auf Werbeseiten gekommen. Ich hab sie gefragt, wie das passiert ist und das wusste sie nicht. Sie hat das gleich wieder weggeklickt. Aber trotzdem ist die Werbung ja da und man nimmt das irgendwie wahr. Ich denke aber zu deiner Frage: Vieles ist Erziehung – worauf sie reagieren, was an ihnen abperlt, was sie annehmen davon. Da fand ich viele Sachen gut, die die Mädchen grade gesagt haben. Sie haben gezeigt, dass sie nachdenken, dass ihnen vieles auch einfach nicht gefällt. Sie probieren solche Spiele aus und merken dann ziemlich schnell, dass sie das langweilt, vor allem mit der vielen Werbung.

Hättest du das erwartet?

Annette: Weiß ich nicht. Ich hätte jetzt grundsätzlich mehr Vertrauen. Andererseits ist ja klar, dass Werbung sehr subtil arbeitet…

Maike: Subtil ist die doch überhaupt nicht, die ist doch voll da und wird den Kindern eingehämmert. Ehrlich gesagt finde ich grade diese Pop-up-Werbung  extrem nervtötend. Ich glaube, das Gute daran ist, dass die so nervt, dass man sie überhaupt nicht lesen will, sondern sofort wegklickt. Das ist ein Automatismus.

Neela: Da steht auch manchmal: Du kannst alles, wenn du Superstar bist!

Annette: Und was denkst du darüber?

Neela: Was kann ich denn dann alles, hä? Shoppen gehen mit irgendwelchem Spielgeld? Dann möchte ich das aber auch wirklich kriegen, nicht nur in dem Spiel.

Annette: Ja, das ist ja heute normal, dass Mädchen, die vielleicht zwei Jahre älter sind als ihr, und auch ihr macht das schon, in solche Läden gehen wie H & M und  Primark, da alleine shoppen und mit Riesentüten wieder rauskommen.

Katharina: Shoppen ist ein Hobby geworden. Das gab’s früher nicht.

Annette: Und es wird mit solchen Spielen unterfüttert.

Celina: Also ich mag Shoppen schon, aber ich geh nicht mit so viel Geld shoppen.

Annette: Aber du siehst in solchen Spielen, was es alles gibt und was angesagt ist.

Maike: Ist das wichtig, ganz viel zu kaufen?

Neela und Celina: Nein.

Neela: Hauptsache, es ist schön und man kann sich vorstellen, dass man es später auch noch trägt.

Annette: Was ich sehr auffällig fand bei den Spielen, war die Fahrstuhlmusik, die da läuft. Die kennt man ja aus Supermärkten. Da kannst du den Verstand ausschalten. Und beim Kosmetikspiel kann man ja außerdem auch nicht groß gucken und auswählen, sondern ein Pfeil weist darauf hin, welche Produkte man nacheinander nehmen muss, damit die Pflege der Haut perfekt wird – Grundreinigung, Peeling usw. Alles totaler Schwachsinn für die empfindliche Haut von Mädchen in der Pubertät.

Katharina: Johanna hat das sofort getankt. Das war total langweilig für sie. Du hast über die inhaltliche Seite gesprochen. Der Inhalt schleicht sich vielleicht subtil ein – wenn die Pickel kommen, muss ich Gesichtswasser kaufen. Aber die Kontrolle im Spiel selber ist superlangweilig und nach einem Durchgang erledigt. Das macht es unattraktiv.

Annette: So sind die Spiele angelegt… spielerische Info über all das, was es auf dem Markt gibt. Wahrscheinlich passend zur Werbung , die da geschaltet wird.

Katharina: Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich so eine Macht hat. Im Spiel gehen wir davon aus, dass wir alles beherrschen können. Die Kinder können zwischen Spiel und Wirklichkeit unterschieden. Da gibt es eine klare Trennung.

Annette: Aber speziell bei diesem Spiel, das ein Problem beschreibt, das Kinder in der Vorpubertät schon haben, wird ein reales Foto vorgeschaltet. Das zeigt das selbe Gesicht vor und nach der Behandlung mit den diversen Gesichtspflegeprodukten: ein Mädchen mit Pickeln und nachher mit einem klareren Hautbild. Dann kommt erst die zeichentrickartige Märchenprinzessin, die vom spielenden Kind direkt behandelt wird.

Celina: Das ist ja dann wie Werbung für die ganzen Produkte.

Annette: Das Schminkspiel ist auch auf Effekte ausgelegt. Erst kommt ein langweiliges ungeschminktes Gesicht und schon nach dem Auftragen des ersten Produktes gibt es den  Wow-Effekt. Anders als in der Realität natürlich. Aber die Mädchen, die das spielen, könnten denken: Wenn ich Make-up verwende, dann kann ich wirklich toll aussehen.

Glaubst du, dass die Mädchen so was dann kaufen wollen?

Annette an Celina: Was denkst du?

Celina: Ich finde, man muss nicht unbedingt schöner aussehen, wenn man Schminke drauf hat. Viele sehen viel schöner aus, wenn sie keine Schminke drauf haben.

Katharina: Dieses Kosmetikspiel ist ja eine Herabsetzung der Weiblichkeit. Da geht’s ja wirklich nur darum und auch in den anderen Spielen ist das Schönheitsideal so festgelegt. Das finde ich auch beunruhigend und gefährlich. Ich kenne Kinder in eurem Alter, die hören einfach auf zu essen, weil sie denken, sie können nur schön sein, wenn sie dünn sind.

Annette: Es werden keine Alternativbilder entworfen in diesen Spielen. Es gibt keine Mädchenfiguren darin mit normalen Figuren und stämmigeren Beinen.

Maike: Was ist mit den freien Computerspielen für Mädchen, wo man was anderes machen kann – ein Tier pflegen zum Beispiel?

Neela: Ja, aber die sind langweilig. Da muss man alle 5 Sekunden neues Futter geben, sonst ist dein Wuffi ganz traurig, weil er hungrig ist und dann muss er gestreichelt werden, sonst hat er keine Liebe. Das find ich voll doof.

Maike: Wisst ihr, was die Jungens spielen?

Neela und Celina: Ja, Autospiele, wo man sich rammt, Ballerspiele, Fußballspiele: Wer wird Weltmeister…

Neela: Da gibt’s gleich so eine Trennung, da kann man sehen, aha, das sind jetzt Mädchenspiele und das sind Jungensspiele. So was mag ich nicht so. Jungens, die ballern rum und Mädchen, die müssen shoppen gehen und gut aussehen.

Annette: Was ich auch noch ansprechen wollte, ihr geht ja da bei „GoSupermodel“ in diese Chats, auf Partys. Ihr habt euch erstmal schick angezogen bzw. eure Figuren. Die sehen ja eher so aus wie 17. Dann gehen die auf die Party und treffen dort Jungens und sprechen die an. Ihr könnt ja auch auf internationale Partys gehen. Für mich sieht das so aus wie internationaler Jetset…

Ja, das ist ja auch das Supermodel-Spiel!

Annette: Im Grunde ist das ja was, das nicht zu eurem Alter passt. Ist es trotzdem interessant, das zu sehen und zu spielen?

Neela: Wir finden das eigentlich doof auf den deutschen Partys, weil da reden die immer so dumme Sachen.

Katharina: Was reden die denn?

Neela: Wir gehen immer auf die, wo wir nichts verstehen oder nur ganz wenig wie Finnisch oder Portugiesisch..

Maike: Habt ihr auf diesen Partys schon mal erlebt, dass jemand irgendwie negativ gesprochen hat, so was wie: „Hey, du siehst aber hässlich aus“?

Neela: Ja, deshalb gehen wir nicht auf die deutschen Partys. (leise) Die machen sich dann manchmal lustig über deinen Look und das ist doof.

Annette: Also, ihr habt eure Figur für die Party gestylt, wie ihr das hübsch findet und dann kommt ihr da hin und die machen euch platt?

Neela: Auf den anderen Partys, auf den portugiesischen und so, waren die voll nett. Da haben die hallo gesagt.

Celina: Aber letztens, das war total lustig… Da war ein Junge und dann kamen alle Mädchen auf einen Haufen zu ihm hin …. Hallo, hallo! Und dann der Junge: „Wer mich will, sagt 1,2,3,4!“ Und alle Mädchen gleichzeitig: „1, 2, 3, 4!“

Aber das ist ja dann wahrscheinlich auch ein Mädchen, das dahinter steht.

Neela: Sicher.

Annette: Das scheint wirklich eine Spielwiese zu sein, wo vielleicht auch Teenager Dinge ausprobieren und ihr habt da Zutritt. Ihr könnt zusehen, wie sich alle um einen Jungen scharen und sich dem anbieten, und ihr könnt euch auch mobben lassen.

Maike: Oder selber mobben.

Neela: Wenn die dich mobben, dann kannst du die anzeigen und dann fliegen die aus dem Spiel. Und dann werden die vor dir blockiert und dann kannst du die nicht mehr sehen.

Maike: Habt ihr das schon mal gemacht? Jemanden angezeigt?

Neela: Nein, ich bin einfach nur gegangen.

Maike: Was muss man machen?

Neela: Man klickt einfach nur auf den drauf und dann steht da melden. Und dann wird  überwacht, was er so macht.

Maike: Big Brother is watching you…

Annette: Interessant. Gut, das ist was, das wir jetzt nicht gesehen haben bei unserer Spielerunde hier. Das ist Insider-Wissen. Habt ihr denn das Gefühl, dass wir da in eure Welt eindringen, wenn wir euch beim Spielen zuschauen und euch befragen?

Neela: Das ist okay.

Annette: Bisher war es ein Vertrauensvorschuss, dich so was spielen zu lassen. Jetzt sehe ich schon, von diesen Onlinespielen gehen Gefahren aus, nicht nur die  körperlicher Art – schlechte Haltung, schnelle Bilderfolge usw. Hier haben wir ja über die inhaltlichen Aspekte geredet: Der Konsumrausch, der angekurbelt wird, die nicht altersgerechten Plattformen, auf denen ihr euch bewegen könnt, die Werbung, die durchhuscht, die Schönheitsideale und das tussige Frauenbild, das da verkauft wird. Dann die Möglichkeiten, andere anzuschwärzen oder zu beleidigen. Das alles finde ich ziemlich bedenklich. Aber von dem, was die Mädchen  gesagt haben, glaube ich, dass man trotzdem Vertrauen haben kann. Vor allem bei euch  Älteren. Die Jüngeren sind natürlich ein unbeschriebenes Blatt.

Maike: Aber die Jüngeren kommen da auch noch nicht rein. Die haben noch keine E-Mail-Adresse und können sich nicht anmelden. Auch wenn es viel zu lesen gibt, sind sie noch nicht betroffen. Für die Kleinen ist maßgeblich: Wie kann ich gestalten, wie kann ich was schön machen.

Katharina: Aber es liegt an uns, denen zu vermitteln, dass Weiblichkeit noch was anderes bedeutet als perfekt angezogen zu sein und niedlich oder auch sexy auszusehen. Ansonsten wird da nichts geboten, aber die Mädchen sind in dem Alter so unsicher und beeinflussbar und stehen unter einem solchen Perfektionsdruck, was Äußerlichkeiten anbelangt. Diese Medienfiguren wirken auch überhaupt nicht mutig, stark und selbstbewusst. Keine von denen, obwohl es da immer heißt „werde Superstar“.

Maike: Die Figuren sind auch unlebendig. Erstaunlicherweise wird mit denen ja trotzdem assoziiert, dass sie nett sind. Und das ist ja was, das schönen Personen oft unterstellt wird, dass sie einfach sympathisch sind. Hier gilt, dass schön gleich gut ist.

Aber das ist ja bei Barbiepuppen nicht anders. Barbiepuppen sehen auch immer schön aus.

Maike: Die Barbiepuppen sehen zwar schön aus, aber denen können sie ja Leben einhauchen. Also, so wie ich das mitgekriegt habe, sind das manchmal ganz schön fiese Brocken! Katharina: Aber das ist ja hier auch passiert, als die Mädchen die Figuren am Computer hässlich gemacht haben, aus Protest.

Annette: Es ist einfach ein Problem, dass diese Medien so furchtbar attraktiv sind im Design und in der Handhabung, aber die Inhalte so dürftig.

Maike: Jetzt wissen wir vielleicht genauer zu benennen, was wir an diesen Inhalten nicht mögen, aber unsere Töchter wissen das doch schon längst. Dieses elterliche Unbehagen kommt oft aus der Unwissenheit. Aber die Mädchen haben das schon alles etliche Male durchprobiert und sagen auch, das ist Mist. Sie konfrontieren sich nicht ständig mit Mobbing im Chat oder irgendwelchen Dingen, die sie langweilen, sondern sie gehen dann raus. Außerdem glaube ich, dass von verschiedenen Stellen Verantwortung und Aufklärung an die Kinder herangetragen werden, auch von Kindergarten und Schule. Und daran lernen sie und werden stark und können sich gegen negative Einflüsse wehren und auch solche einseitigen Bilder wie in den Girliespielen besser einschätzen.
(cb)

*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.

Barbie hat Pause. Foto: Ricardo C. Moreno
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